Es ist ein Schicksalsschlag – im routinemäßigen Ultraschall bei der Schwangerschaft wurde ein so genanntes „Lemon Sign“ entdeckt. Wir befinden uns in der 13. Schwangerschaftswoche.

Lemon Sign – eine harmlose Beschreibung für eine kongenitale Entwicklungsstörung, die von erheblicher Tragweite sein kann. Dieser Befund bei einer Ultraschalluntersuchung beschreibt eine Veränderung des Schädels, der bei bestimmten Erkrankungen eine Form annimmt, die einer Zitrone ähnelt und entsprechend leicht nach innen gerückte Seiten aufweist. Das allein ist jedoch nicht der große Schicksalschlag. Es kann ein Indikator für eine Spina bifida sein – den „offenen Rücken“, wie diese Erkrankung auch umgangssprachlich genannt wird. Je nach Ausprägung, kann es sich in einer von außen nicht sichtbaren Form (Spina bifida occulta), aber auch als eine deutlich sichtbare Veränderung entwickeln, bei der Teile des Rückenmarks freiliegen (Spina bifida aperta mit Myeloschisis) und andere schwerwiegende Veränderungen am zentralen Nervensystem entstehen, wie einem Hydrozephalus.

Das Leben ändert sich

Die Spina bifida ist nur eine von vielen kongenitalen – also angeborenen – Entwicklungsstörungen, deren Ursachen man klar benennen sollte, über die jedoch noch weitverbreitet Unwissenheit herrscht. Beispielsweise können Folsäuremangel, genetische Disposition, hohes Alter der Mutter oder die Einnahme bestimmter Antikonvulsiva (Medikamente gegen Krampfanfälle) eine solche pränatale Entwicklungsstörung auslösen oder die Wahrscheinlichkeit für selbige erhöhen. In der Medizin spricht man hier von einem Neuralrohrdefekt des Kindes. Im Umgang mit diesem Thema ist eine hohe Sensibilität aller Beteiligten gefragt, denn an dieser Stelle wird sich die gesamte Lebensplanung aller Betroffenen ändern.

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Die Weiterbildung "NeuroCareKids" - Pflegeexperte für Kinder und Jugendliche mit angeborenen oder erworbenen Hirnschäden setzt den Schwerpunkt in der neurologisch-pflegerischen Versorgung von betroffenen Kindern und Jugendlichen und geht auch sehr detailliert auf die Versorgung von Kindern im SRW („Wachkoma") ein. Du erwirbst während des Kurses ein entsprechendes Hintergrundwissen in Bezug auf Anatomie, Physiologie und pathologische Veränderungen einerseits, andererseits lernst du auch viele Assesmentverfahren und pflegetherapeutische Angebote kennen, die dir und den Betroffenen helfen können, die Erkrankungen und die damit einhergehenden Herausforderungen im Alltag zu meistern.

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Hat sich die Mutter für eine Geburt entschieden, wird das Kind sehr wahrscheinlich mit einem „offenen Rücken“ auf die Welt kommen und kann, je nach Ausprägung, dauerhaft beeinträchtigt sein. Welche körperlichen und geistigen Veränderungen wird das Kind haben?

Muss man sich auf ein „Worst-Case-Szenario“ im Sinne einer lebenslang anhaltenden Intensivpflegebedürftigkeit einstellen? Welche Unterstützung wird das Kind benötigen? Sollte bereits jetzt zu einem Kinderintensivpflegedienst Kontakt aufgenommen werden? Gerade bei Kindern mit – wie hier im Beispiel – angeborenen, aber auch mit postnatal erworbenen neurologischen Beeinträchtigungen ist es unverzichtbar, sich über Erkrankungshintergründe und Prognosen zu informieren.

Allein die Vielzahl an Erkrankungen, die beispielsweise zu einem Hydrozephalus führen können oder auch Chromosomenanomalien mit ihren jeweiligen Ausprägungen sind Themen, die alle Pflegekräfte in der außerklinischen Intensivpflege irgendwann einmal beschäftigen, besonders jedoch im pädiatrischen Bereich ein deutlich umfangreicheres Wissen unabdingbar machen.

Zusatzquali erforderlich

Im medizinisch-klinischen Kontext gibt es nach der eigentlichen Pflegeausbildung weitere Zusatzqualifikationen wie die Intensivpflege/Anästhesie, Notfallpflege, Fachkrankenpflege Neurologie und andere. Wie sieht es denn damit in der außerklinischen Intensivpflege aus?

Vorgenannte Themen und Erkrankungen sind inhaltlich in der klassischen Pflegeausbildung nicht enthalten, würden hier wahrscheinlich sogar den Rahmen sprengen. Wenn wir dann noch ein paar Schritte weitergehen, müssen wir auch über den großen Bereich der Angehörigenedukation reden sowie den Umgang mit traumatisierten Kindern, denen teilweise von Geburt an Hindernisse in den Weg gelegt werden und somit eine angemessene Entwicklung zusätzlich erschwert wird.

Dies sind hochspezialisierte Fachgebiete, für die bisher nur wenige Experten vorhanden sind und somit nicht allen Betroffenen dieselben Bedingungen, Chancen und Fördermöglichkeiten zur Verfügung stehen. Da Pflegekräfte in der außerklinischen Intensivversorgung das Bindeglied zwischen allen Professionen darstellen und fachliche Entscheidungen selbstständig treffen müssen, sollte genau hier angesetzt werden. Das aktuell noch herrschende große strukturelle und fachliche Defizit lässt die Entwicklungen und Fördermöglichkeiten für die betroffenen Kinder noch weit hinter den Möglichkeiten zurückliegen, was engagierte Intensivpflegekräfte versuchen zu kompensieren.

Früh intervenieren!

Sollten es nicht genau diese Pflegekräfte sein, die die betroffenen Kinder, wie im vorstehenden Beispiel, ganzheitlich unterstützen können, indem sie pflegefachlich und psychosozial fachlich sicher agieren können, den Pflegeprozess optimieren und somit das bestmögliche fördernde Umfeld für betroffene Kinder zu schaffen?

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen! Kinder können – entgegengesetzt langjähriger medizinischer Meinung – neurologische Störungen nicht besser vertragen oder kompensieren; die entstandenen Defizite treten oft nur später in Erscheinung. Je später dann interveniert wird, desto größer wird die Entwicklungsverzögerung oder das Entwicklungsdefizit im Vergleich zu „gesunden“ Kindern sein.

Daher setzt sich Thomas Dostal mit "NeuroCareKids" - Pflegeexperte für Kinder und Jugendliche mit angeborenen oder erworbenen Hirnschäden deutlich für eine weitere Fachqualifizierung besonders im pädiatrischen Bereich ein. Hier muss seiner Erfahrung nach eine höhere Sensibilität im Umgang mit neurologisch beeinträchtigten Kindern erreicht werden, um unserer Folgegeneration die bestmöglichen Entwicklungschancen zu geben. Er möchte
dazu aufrufen, die wenigen Fachqualifikationen im Bereich der pädiatrischen neurologischen Pflege mit Schwerpunkt außerklinische Intensivpflege wahrzunehmen, Wissensdefizite und psychosoziale Herausforderungen abzubauen und die Patienten- und Angehörigensicherheit zu stärken. Gerade in Zeiten von Personalengpässen darf an der Fachqualifikation nicht gespart werden, um eine hohe interdisziplinäre Versorgungsqualität sicherzustellen.

(Originalartikel in der "NOT", Ausgabe # 02/2023)

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Über den Autor

Thomas Dostal ist Dozent der BaWiG und seit 2007 in der außerklinischen Intensivpflege tätig, vorrangig mit Menschen im Syndrom reaktionsloser Wachheit (SRW), er ist Pflegeexperte für außerklinische Beatmung und für Menschen im Wachkoma (MCS/SRW), mehrjähriger Dozent für außerklinische Intensivpflege und seit 2021 bei der BaWiG und zuständig für NeuroCareKids, einen Pflegeexperten für Kinder und Jugendliche mit angeborenen und erworbenen Hirnschäden. 

Die Illustratorin Laura Gemmeke hat viele süße Darstellungen geschaffen, die den Pflegeexpertenkurs für Kinder und Jugendliche mit angeborenen oder erworbenen Hirnschäden medial ergänzen und begleiten.