Gegen die formale Forderung nach einem klinischen Praktikum für die Weiterbildung in der häuslichen Versorgung und für die dringende Notwendigkeit einer Formulierungsänderung in der Rahmenempfehlung sprechen:

  • Die Arbeit auf der Intensivstation einer Klinik ist mit der Arbeit in der außerklinischen, häuslichen Intensivpflege nicht vergleichbar. Patienten auf einer klinischen Intensivstation spiegeln die Klientel in der Häuslichen Krankenpflege bzw. der außerklinischen Intensiv- und Beatmungspflege weder in medizinischen noch in pflegerischen Anforderungen wider.
  • Diagnostische, therapeutische und pflegerische Maßnahmen, die in der Klinik alltäglich sind, kommen in der Außerklinik nicht vor. Die erheblichen Unterschiede verdeutlichen folgende Beispiele: Patienten im außerklinischen Setting sind z.B. zwingend kreislaufstabil und nicht katecholaminpflichtig. Umgekehrt kommen auf Intensivstationen nur selten Trachealkanülen zum Einsatz. Auch der Einsatz von Hustenassistenten ist eher selten, was wiederum in der Außerklinik alltäglich, lebendnotwendig und dringend erforderlich ist. Venöse und arterielle Katheter, sowohl zur Diagnostik als auch zur Medikamentengabe, kommen in der außerklinischen Intensivpflege nicht vor.
  • Ein klinisches Praktikum ist für die außerklinische Versorgung zweckentfremdet und sinnlos, denn Beatmungsgeräte und Beatmungsmodi sind grundlegend verschieden und die Akuttherapie auf einer Intensivstation verläuft grundlegend unter anderen Bedingungen, Techniken und pflegewissenschaftlichen Anforderungen als die Langzeitbeatmung in der außerklinischen, häuslichen Versorgung.
  • Die Erfahrung aus den letzten Jahren zeigt, dass Weiterbildungsteilnehmer nicht nur nicht von einem Klinikpraktikum profitieren, weil sie als „Fremdkörper“ nicht in den Klinikbetrieb integriert werden können, sondern aufgrund der anderen Umfeldbedingungen sogar systematisch verwirrt werden. Es gibt keinerlei Evidenz dafür, dass die in einem funktional und in praktischen allen Bedingungen fremden Umfeld gemachten Erfahrungen irgendeine lehrreiche Bedeutung für die außerklinische häusliche Intensivpflege hätten.
  • Zudem ist es in der deutschen Krankenhausstruktur äußerst schwierig bis unmöglich, Praktikumsplätze auf Intensivstationen zu bekommen, da die meisten Kliniken keine Praktikanten von extern aufnehmen – zumal für nur eine Woche, in der der Praktikant für die klinische Intensivstation im schlimmsten Fall zum gefährlichen Störfaktor werden kann. Schon mit der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes wurden die Intensivstationen in den letzten Jahren mit Praktikanten aus dem Rettungsdienst überschwemmt, was zur Folge hat, dass die wenigen Krankenhäuser, die noch Praktikanten aufgenommen haben, das jetzt auch nicht mehr tun.
  • Es gibt jetzt schon unzählige Pflegefachkräfte, die ihre fachliche Weiterbildung in allen für ihr Einsatzgebiet relevanten Bereichen theoretisch und praktisch erfolgreich abgeschlossen haben, gut qualifiziert und einsatzbereit sind, aber wegen der formalen Forderung nach einigen Tagen unsinnigen Aufenthalts in einer Klinik ihr Zertifikat nicht bekommen dürfen - teilweise mit einem Verzug von Jahren, in denen das relevante Wissen auch wieder verschwindet.

 

Die formale Forderung nach dem verpflichtenden Klinik-Praktikum ist somit eine Fehlentwicklung, die vor endgültigem Inkrafttreten der „Rahmenempfehlung zur Versorgung mit Häuslicher Krankenpflege“ dringend korrigiert werden sollte.

Als Bildungsakademie sprechen wir uns daher aus fachlichen Gründen gegen die Verpflichtung der Weiterbildungs-Teilnehmer aus, das 40-stündige Praktikum in einer Klinik durchführen zu müssen – wohlgemerkt richtet sich die Forderung nicht gegen die die Praxiserfahrung selbst, die auch aus wissenschaftlich-akademischer Sicht als wichtig und wertvoll erachtet wird, sondern nur gegen die aus unserer Sicht falsche Verpflichtung auf ein klinisches Praktikum.

40 Stunden Praktikum als Teil der Weiterbildung sowohl im Basis- als auch im Expertenkurs sind durchaus sinnvoll, wenn man sie nicht mit unsinnigen formalen Anforderungen (Zwang zur Klinik) belastet, sondern mit sinnvollen Lerninhalten füllt. Dies stellt die BaWiG in ihrem akademischen Curriculum vollinhaltlich dar.